Berlin
- Schnee in Berlin, Regen in Düsseldorf, Wolken in Stuttgart,
strahlender Sonnenschein in München: Für Hans Esser gibt
es nichts Schöneres als solche Klima-Kapriolen. Erst recht,
wenn die Wetterkarte schon für die nächsten Tage ganz
andere Bedingungen vorhersagt. Was den meisten Menschen
Kreislaufprobleme verursacht, bringt Essers Geschäfte
nämlich erst richtig ins Laufen. Esser ist Berater für
Wetterrisiko-Management bei Finanztrainer.com; entsprechend
kann das Wetter für ihn gar nicht unberechenbar und volatil
genug sein. "Vor allem der Flut-Sommer im Jahr 2002 hat
großes Interesse an Wetterderivaten geweckt, mit denen
sich die Unternehmen gegen Turbulenzen absichern können
- mehr noch als der Wüstensommer 2003", sagt er. Und die
Wintersaison könnte weitere Nachfrage hervorrufen. Denn
bislang werden die kalten Monate von Experten als deutlich
zu mild eingestuft.
"Der November war der zweitwärmste seit 40 Jahren und
auch der Dezember und die erste Januarhälfte sind verglichen
zu den Durchschnittswerten der vergangenen Jahrzehnte
eher wärmer ausgefallen", sagt Hector Freitas, Wetterderivate-Experte
bei der Deutschen Bank in London. "Davon sind insbesondere
Energiekonzerne negativ betroffen: Sie müssen mit geringeren
Einkünften rechnen, weil weniger geheizt wird." Doch auch
starke Temperatur-Schwankungen stellten ein Problem dar,
denn sie erhöhten die Kostenbasis. Für andere Branchen
spielt das Winterwetter ebenfalls eine wichtige Rolle:
Während Textilunternehmen und Skiliftbetreiber - wie die
Energielieferanten - zu warme Winter fürchten, schrecken
die Baubranche und die Flughafenbetreiber eher die Minusgrade.
Über Wetterderivate können sich die Firmen bei Banken
oder Rückversicherern gegen umsatz- und damit ertragsbeeinflussende
Schwankungen wie Wärme und Kälte absichern. Die gebräuchlichsten
Formen sind Swaps oder Optionen. Die jeweiligen Kontrakte
werden nach den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens
maßgeschneidert. Nicht nur der Absicherungs-Zeitraum,
auch das Volumen ist variabel und kann sich zwischen einigen
1000 Euro und dreistelligen Millionenbeträgen bewegen.
Tritt der Schadensfall ein, bekommt der Kunde wie bei
einer Versicherung eine Ausgleichszahlung. Die weitaus
meisten Kontrakte beziehen sich auf die Temperatur: Ihr
Anteil am Weltmarkt für Wetterderivate beläuft sich nach
Angaben der Weather Risk Management Association auf 85
Prozent. Das Thema "Regen" haben 10,7 Prozent der Kontrakte,
weitere 1,6 Prozent beziehen sich auf die Windstärke.
"Wir wollten auch Schneederivate entwickeln, doch da ist
die Datenbasis zu schlecht und die Nachfrage eher gering",
berichtet Maria Veicht, Head of Commodity and Weather
Trading bei der HVB Group.
Die Experten erwarten, dass der Wetterderivate-Markt in
Europa weiter kräftig wachsen wird. Insgesamt wurden laut
Esser seit 1997 weltweit Risiken im Volumen von 16 Mrd.
Dollar abgesichert, der Löwenanteil davon in den USA.
Wenn der Blick aus dem Fenster Unheil verkündet, ist es
allerdings für eine Absicherung zu spät. Esser: "Für die
Kontrakte müssen zunächst die historischen Wetter- sowie
die Unternehmensdaten genau analysiert werden."
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