20. Januar 2004

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Mit Klima-Kapriolen Geschäfte machen

 

Bislang milder Winter sorgt vor allem bei Energieversorgern für Umsatzeinbußen - Wetterderivate bieten Abhilfe

von Beatrix Wirth

Berlin - Schnee in Berlin, Regen in Düsseldorf, Wolken in Stuttgart, strahlender Sonnenschein in München: Für Hans Esser gibt es nichts Schöneres als solche Klima-Kapriolen. Erst recht, wenn die Wetterkarte schon für die nächsten Tage ganz andere Bedingungen vorhersagt. Was den meisten Menschen Kreislaufprobleme verursacht, bringt Essers Geschäfte nämlich erst richtig ins Laufen. Esser ist Berater für Wetterrisiko-Management bei Finanztrainer.com; entsprechend kann das Wetter für ihn gar nicht unberechenbar und volatil genug sein. "Vor allem der Flut-Sommer im Jahr 2002 hat großes Interesse an Wetterderivaten geweckt, mit denen sich die Unternehmen gegen Turbulenzen absichern können - mehr noch als der Wüstensommer 2003", sagt er. Und die Wintersaison könnte weitere Nachfrage hervorrufen. Denn bislang werden die kalten Monate von Experten als deutlich zu mild eingestuft.

"Der November war der zweitwärmste seit 40 Jahren und auch der Dezember und die erste Januarhälfte sind verglichen zu den Durchschnittswerten der vergangenen Jahrzehnte eher wärmer ausgefallen", sagt Hector Freitas, Wetterderivate-Experte bei der Deutschen Bank in London. "Davon sind insbesondere Energiekonzerne negativ betroffen: Sie müssen mit geringeren Einkünften rechnen, weil weniger geheizt wird." Doch auch starke Temperatur-Schwankungen stellten ein Problem dar, denn sie erhöhten die Kostenbasis. Für andere Branchen spielt das Winterwetter ebenfalls eine wichtige Rolle: Während Textilunternehmen und Skiliftbetreiber - wie die Energielieferanten - zu warme Winter fürchten, schrecken die Baubranche und die Flughafenbetreiber eher die Minusgrade.

Über Wetterderivate können sich die Firmen bei Banken oder Rückversicherern gegen umsatz- und damit ertragsbeeinflussende Schwankungen wie Wärme und Kälte absichern. Die gebräuchlichsten Formen sind Swaps oder Optionen. Die jeweiligen Kontrakte werden nach den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens maßgeschneidert. Nicht nur der Absicherungs-Zeitraum, auch das Volumen ist variabel und kann sich zwischen einigen 1000 Euro und dreistelligen Millionenbeträgen bewegen. Tritt der Schadensfall ein, bekommt der Kunde wie bei einer Versicherung eine Ausgleichszahlung. Die weitaus meisten Kontrakte beziehen sich auf die Temperatur: Ihr Anteil am Weltmarkt für Wetterderivate beläuft sich nach Angaben der Weather Risk Management Association auf 85 Prozent. Das Thema "Regen" haben 10,7 Prozent der Kontrakte, weitere 1,6 Prozent beziehen sich auf die Windstärke. "Wir wollten auch Schneederivate entwickeln, doch da ist die Datenbasis zu schlecht und die Nachfrage eher gering", berichtet Maria Veicht, Head of Commodity and Weather Trading bei der HVB Group.

Die Experten erwarten, dass der Wetterderivate-Markt in Europa weiter kräftig wachsen wird. Insgesamt wurden laut Esser seit 1997 weltweit Risiken im Volumen von 16 Mrd. Dollar abgesichert, der Löwenanteil davon in den USA. Wenn der Blick aus dem Fenster Unheil verkündet, ist es allerdings für eine Absicherung zu spät. Esser: "Für die Kontrakte müssen zunächst die historischen Wetter- sowie die Unternehmensdaten genau analysiert werden."

 

 

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