vdw - Trade News Strom und Erdgas

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Wetterderivate:

Leicht bewölkt bis sonnig

 

Frankfurt (vwd) - Weitaus substanzieller als der heftig publizierte Handel mit Emissionen hat sich im bisherigen Jahresverlauf der Handel mit Wetterderivaten entwickelt. „Einer der führenden Market Maker schätzte in den letzten Tagen, dass sein in den letzten sechs Monaten gehandeltes Volumen achtmal so hoch sei wie das in der gesamten vorhergehenden Geschichte seit Entstehen dieses Marktes“, beschrieb der Londoner Broker Nick Ward (www.spectrongroup.com) für Trade-News seine Beobachtungen in Großbritannien. Die deutsche Energiebranche sei bislang allerdings recht wenig von der Derivat-Sonne beschienen worden, beklagt der Trainer und Consultant für Risk Management, Hans Esser (www.finanztrainer.com): „Die deutschen EVU sehen diesen Markt zu zurückhaltend.“

 

EVU mit Börsen beschäftigt

 

Nach dem Wetterdeal vom Bayernwerk im März habe er eine schnellere Entwicklung erwartet, sagte Esser. Es scheint jedoch, dass die Energiebranche mit den Neuerungen, welche LPX und EEX bieten, „schon genug zu tun hätten“ und im Moment davor zurückschreckten eine weitere „Baustelle“ eröffnen. Esser ist jedoch überzeugt, dass sich dieser Zustand in den nächsten Monaten ändern wird: „Der Markt fordert es. Risikomanagement ist eine aktive Tätigkeit und es kann nicht weiter toleriert werden, dass man auf dieser Seite untätig zusieht."

In England hätten schon verschiedene EVU die Zeichen der Zeit erkannt und für Wetterderivate ein eigenes Profitcenter eröffnet. Beispielsweise biete TXU sogenannte „fixed price contracts“ an. Unabhängig vom Mehr- oder Minderenergie- verbrauch werde hier mit dem Endkunden ein Festpreis abgerechnet. Dies bedeutete für den Endkunden eine hohe Planungssicherheit und sei ein eindeutiges Marketingargument für das EVU. TXU sichert sich dabei selber durch Wetterderivate gegen Mehrverbrauch ab. In Großbritannien beäugt man die Zurückhaltung auf dem deutschen Markt mit Unverständnis, zeigt sich jedoch davon überzeugt, dass die Größe des Marktes für eine positive Entwicklung sorgen werde: „Wir (Spectron) glauben, dass Deutschland das größte Marktpotenzial in Europa im Bereich Wetterderivate hat und wir arbeiten aktiv an der Bereitstellung eines liquiden Marktes." Der aus Sicht der Wetterexperten beklagenswerte Status Quo wurde in der vergangenen Woche beim 2. Europäischen Treffen der Weather Risk Management Association (WRMA) in Paris deutlich. Zu den über 90 Teilnehmern aus England, Frankreich und den USA hätten sich zwar einige Skandinavier, wohl aber kaum Deutsche gesellt, sagte Esser.

 

Counterparts gesucht!

 

Neben der Energiebranche zeigten in Paris aber auch andere Professionen Interesse an der Materie Wetterderivate. Dies sei insbesondere unter dem Aspekt der verfügbaren Counterparts für Wetterdeals ein gutes Zeichen, urteilte Esser. Beispielsweise verlaufe die Wetterfühligkeit der Baubranche und der Versorger genau invers und sei daher ideal für gegenseitige Absicherung: „Wenn es im Winter richtig kalt wird, passiert auf dem Bau gar nichts mehr, wobei der Umsatz der EVU floriert. Bleiben die Temperaturen mild, wird den Versorgern nichts abgekauft, aber dafür kann die Baubranche weiterarbeiten“, erklärte Esser. Über alle Branchen hinweg böten sich so zahlreiche Möglichkeiten der Absicherung an. Ein andauerndes Manko beim Entwicklung eines florierenden Marktes für Wetterderivate war und ist die Liquidität, erklärte Ward die Probleme der Branche. Die mangelnde Liquidität schlage sich unter anderem in einer breiten Spanne zwischen Geld und Briefkurs nieder. Insbesondere in Großbritannien habe sich dies allerdings durch den Zugewinn verschiedener neuer Marktteilnehmer schon verbessert. Im Londoner Markt seien die Spreads bei den Gradtage für Heizenergie merklich geschrumpft. „Einen so engen Markt und liquiden Markt hat man jetzt noch gar nicht erwartet“, bekannte Ward.

 

Nun auch Daten verfügbar

 

Nach Ansicht Essers macht auch die Ausmerzung einer weiteren Kinderkrankheit der Wetterderivate gute Fortschritte: Wetterdaten. „Der Deutsche Wetterdienst (www.Dwd.de/) und seine ausländischen Pendants waren in Paris vertreten, haben die Bedürfnisse des Marktes erkannt und passen sich diesen langsam an.“ Zudem drängten zunehmend neue Player mit historischen Daten auf den Markt. Auch Marktmacher wie Enron, Aquila und Koch Industries hätten mittlerweile ebenfallshistorische Daten.

vwd/13.11.2000/12/jl

 

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