31. Januar 2001

______________________________________________________

Interview: Die Bedeutung von 

Energie- und Wetterderivaten wächst

 

Im Rahmen der Euroforum-Konferenz "Risikomanagement mit Energie- und Wetterderivaten - Termingeschäfte im Energiehandel", die kürzlich in Düsseldorf stattfand, gab Hans Esser von FinanzTrainer.com, Risk Management Training und Consulting, Grevenbroich, Auskunft über die Zukunft dieser Handelsform.

 

strom magazin: Herr Esser, Sie hatten den Vorsitz dieser Konferenz. Wie war das Interesse an einer doch recht speziellen Thematik?

 

Hans Esser: Die Veranstaltung war sehr gut besucht - mit fast 50 Teilnehmern erheblich besser als die vier bis fünf Veranstaltungen vergleichbarer Thematik im Energiehandel, zu denen ich im letzten Jahr als Referent eingeladen war. Die Bedeutung wächst weiter.

 

strom magazin: Was tut sich bei den Energiederivaten in Deutschland und warum kann man noch immer keine Stromfutures an EEX oder LPX handeln?

 

Hans Esser: Gute Frage, man hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert. Der Handelsstart war schon mehrfach angekündigt, zuletzt erst Ende Oktober. Schließlich sagte die EEX den Start für Dezember an, doch der Termin wurde insgesamt schon mehrfach verschoben. Dies hat auch bei den Teilnehmern wenig Begeisterung ausgelöst. Dagegen haben internetbasierte Handelsplattformen bereits gigantische Umsatzzahlen, wie z. B. ENRONonline. Hier werden sogar bereits 10 Prozent des Umsatzes in Optionen gehandelt, die bei den Börsen noch in der Planungsschublade stecken.

 

strom magazin: Woran hapert es bei den Börsen? Was ist der Grund für die Verschiebungen?

Hans Esser: Ein großes Problem ist die Veröffentlichung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesens im Herbst des letzten Jahres. Das hat den Terminbörsen kurzfristig einen Großteil der potenziellen Kunden entzogen und ohne Kunden gibt es nun mal keine Liquidität.

 

strom magazin: Damit hat die Behörde auch sehr spät reagiert...

 

Hans Esser: Nein, das sehe ich nicht so. Man hätte wissen können und müssen, dass hier was passieren wird. Terminhandel, Derivate und Hedging sind nicht neu und hier kann nicht jeder machen was er will - schon gar nicht in Deutschland. Dies ist im Interesse aller Marktteilnehmer auch gut so. Das Thema ist von den Terminbörsen lange verharmlost worden und jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen.

 

strom magazin: Welche Probleme haben Unternehmen bei der Erfüllung der Vorschriften?

 

Hans Esser: Es gibt zwei Kriterien: Eigenkapital und Know-how. Eigenkapital ist zumindest für die großen, etablierten EVU kein Problem - hingegen für einige Newcomer schon. Beim Punkt Know-how, d. h. Mitarbeiterschulung für den Bereich Stromterminhandel, sieht es durchgehend schlechter aus. Man benötigt mehr Finanzmarktwissen. Demzufolge liegt hier auch eindeutig der Schwerpunkt und nicht mehr so sehr auf der Stromseite. Diese Tatsache zeigte sich auch beim Background der Referenten auf der Konferenz. Allein fünf Referenten des ersten Tages waren ausgebildete Bankkaufleute. Und die Terminbörsen planen jetzt beide die rein finanzielle Abrechnung ihrer Konkrakte und keine physische Lieferung mehr.

 

strom magazin: Der zweite große Programmpunkt waren die Wetterderivate und das Wetterrisikomanagement - was tut sich bei diesem Thema?

 

Hans Esser: International wächst der Markt rasant und dies nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Nehmen Sie nur die Beispiele Skandinavien und Großbritannien. Das Handelsvolumen bei ENRON in diesem Bereich hat sich im letzten halben Jahr verachtfacht. Nur Deutschland ist in dieser Beziehung noch ein Entwicklungsland. Als Vorsitzender hatte ich die Gelegenheit, die Teilnehmer sowohl am Anfang als auch am Ende nach deren Meinung zu diesem Thema zu befragen. Die erste Frage lautete: Wer ist überzeugt vom sinnvollen Einsatz von Energiederivaten im EVU? Am Anfang der Veranstaltung waren es etwa. 80 Prozent und am Ende fast 100 Prozent der Teilnehmer. Die zweite Frage war: Wer ist vom sinnvollen Einsatz von Wetterderivaten im EVU überzeugt? Am Anfang der Veranstaltung waren nur etwa 25 Prozent und am Ende schon etwa 90 Prozent von einem sinnvollen Einsatz überzeugt. Man sieht, dass die Meinung bei den Wetterderivaten umgeschlagen ist, sobald die Teilnehmer mit konkreten Informationen beliefert worden waren. Dies war auch mein persönliches Ziel für die Konferenz und ich bin mit dem Resultat sehr zufrieden.

 

strom magazin: Aber ist dieses Thema nicht nur für die großen EVU von Interesse?

 

Hans Esser: Nein, für kleinere und mittlere Unternehmen ist es sogar einfacher umzusetzen, da diese ihr Wetterproblem, das für sie existenzbedrohend sein kann, besser analysieren können. Interessant ist, dass sich dabei neue Produkte für den Endkunden entwickeln, die andere Vorteile haben als nur einen niedrigen Preis. Z. B. "fixed price contracts", bei denen sie ihren Kunden unabhängig von der Nachfragemenge einen Festpreis garantieren. Dieser hat dadurch eine feste Kalkulationsbasis und sie sichern sich hier mit Wetterderivaten gegen Mehrbedarf ab. Daneben hat natürlich ihr Vertrieb ein weiteres Verkaufsargument und sie haben evtl. einen neuen Kunden gewonnen.

 

Seitenanfang