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Keine Chance dem Wetter

 

Mit WetterDerivaten lassen sich wetterbedingte Absatzrisiken ausschalten

 

Von Hans Esser, FinanzTrainer.com, Risk Management Training & Consulting, Grevenbroich

 

Vollversorgungsverträge gehören bei immer mehr EVU der Vergangenheit an. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Portfoliomanagements versuchen sie, ihre Bezugskosten zu minimieren. Leicht können dabei aber außergewöhnliche Witterungsverhältnisse zu unvorhergesehenen und damit teuren Lastspitzen oder allzu warme Wintertemperaturen zu einem Absatz mit großen ungenutzten Reserven führen. Um das Risiko zu begrenzen, bietet sich der Kauf von Wetterderivaten an. Mehrere Energieversorger haben bereits Kontrakte abgeschlossen. Einen Überblick gibt im folgenden Beitrag Hans Esser, Inhaber der Grevenbroicher Firma „FinanzTrainer.com“.

 

Bei Wetterderivaten sichern sich die Käufer gegen die nachteiligen Finanzfolgen ungewöhnlicher Wetterbedingungen ab. Die Verkäufer des Derivats („Risktaker“) setzen auf eine gegenteilige Markterwartung. In der Regel können diese ihr Gesamtrisiko durch die Aufnahme weiterer, sich oft gegenseitig aufhebender Risiken breiter streuen und damit verringern. Theoretisch könnte man sich z. B. ein Bauunternehmen und einen Energieversorger als „Gegenpole“ vorstellen:  Sehr kaltes Wetter behindert die Arbeit des Bauunternehmens, hat also negative Einflüsse auf den Umsatz. Bei einem EVU hat schlechtes Wetter dagegen in der Regel positive Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis. Es bietet sich also ein Ausgleich der Risiken auf einem für beide Seiten erträglichen Niveau an. Der Ausgleich führt sozusagen zu einer Normalisierung der Ergebnisse, weil zwar das EVU die Aussicht auf eine vielleicht eintretende ungewöhnlich gute Ertragsphase fahren läßt, dafür aber ein Absicherungs-geschäft realisiert (ZfK 6/00, 16).

 

Eine Markterhebung der Weather Risk Management Association (Weltverband „WetterRisikoManagement“) ergab für Ende März 2001 bereits 5000 weltweit gehandelte Wetterderivate mit einem Risikogegenwert von 8 Mrd. US-$. Auch in Europa „regnet“ es Wetterderivate. So sind in den letzten zwölf Monaten bereits über 200 von ihnen gegen die Unbillen des Wetters abgeschlossen wurden. Der deutsche Markt ist, u. a. bedingt durch den zögerlichen Start des Terminhandels an den Strombörsen, noch ein zartes Pflänzchen, an dessen Hege aber bereits viele Parteien interessiert und beteiligt sind.

 

Nach der Ankündigung der Berliner Bewag über die aktive Vermarktung von Wetterderivaten und der ersten Absicherung gegen einen verregneten Sommer in Europa durch das Elektrizitätswerk Dahlenburg fanden im Sommer erste Treffen des „Markplatzes Wetterderivate Deutschland“ statt. Fast 60 Teilnehmer trafen sich im Rahmen von FinanzTrainer.com veranstalteten Workshops. Dies zeigt das auch hierzulande gestiegene Interesse.

 

Bei den bisher getätigten Geschäften mit Wetterderivaten dominieren bisher die Energieversorger, auch wenn als erstes Wetterderivat in Deutschland das Münchner Oktoberfest im Jahr 2000 durch eine französische Großbank abgesichert wurde. Ein Blick auf die Wetterdaten des vergangenen Herbstes zeigt im Nachhinein, daß die Münchner vom gutem Wetter begünstigt wurden und es dementsprechend keine Auszahlung aus dem Wetterderivat gab. Diese war als Risikomanagement dennoch sinnvoll, da es ja auch anders hätte kommen können.

 

Der Berliner Stromversorger Bewag wagte sich dann als erster deutscher Energiekonzern an das Geschäft mit Wetterderivaten. So hatte sich die Bewag gegen einen zu warmen Winter 2000/2001 abgesichert. Weil das Unternehmen Strom und Wärme fast ausschließlich in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, hätte ein warmer Winter einen geringen Fernwärme-Bedarf der Kunden und damit eine geringere Stromerzeugung in den Kraftwerken zur Folge gehabt. In diesem Fall müßte die Bewag teureren Strom auf dem Spotmarkt hinzukaufen. Darüber hinaus würde das Ergebnis der Bewag durch sinkende Fernwärme-Erlöse belastet. Das erste Wetterderivat von Dezember 2000 bis März 2001 sicherte die Heizkraftwerke Mitte und Klingenberg ab. Diese vier Monate waren mit einer Durchschnittstemperatur von 2,2° C verhältnismäßig kalt. Daher haben die Kraftwerke 100 Mio. kWh mehr Strom erzeugt als im entsprechenden, relativ warmen Vorjahreszeitraum (ZfK 8/01, 6).

 

Nicht nur zu warme Winter, sondern auch zu nasse Sommer sind absicherbar. Das Elektrizitätswerk Dahlenburg nimmt in verregneten Sommern regelmäßig weniger ein, da die Landwirte bei reichlich Niederschlag ihre Felder nicht bewässern müssen und sehr viel weniger Strom verbrauchen. Also versicherte sich das kommunale Unternehmen bei der internationalen Rückversicherungs-gesellschaft Element-Re mit Sitz auf den Bermudas zunächst gegen Regen. Nun erhält das Elektrizitätswerk bei verregneten Sommern für jeden Millimeter Niederschlag, der eine festgelegte Menge überschreitet, eine Ausgleichszahlung vom Rückversicherer. Dieses Geschäft erhöht die Planungssicherheit und verringert die Ertragsschwankungen. Die Absicherungsperiode lief vom 1. Mai bis zum 31. Aug. und war damit das erste seiner Art in Europa, mit dem ein ganzer Sommer gegen Regen abgesichert wurde. Da es heuer überdurch-schnittlich viel geregnet hat, erhielt  das Elektrizitätswerk Dahlenburg eine Auszahlung (ZfK 10/01, 6).

 

Wieder andere Probleme hat Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße AG (GGEW), Bensheim. Mit dem Kauf einer Option hat es sich gegen die Folgen eines kalten Winters geschützt. Die Temperatur-Option läuft vom 1. Jan. bis zum 28. Febr. 2002. Für jeden Tag, an dem die durchschnittliche Tagestemperatur in Frankfurt unter –5° C fällt, erhält die GGEW eine Ausgleichszahlung, die am Ende der Laufzeit ausbezahlt wird. Damit senkt das GGEW ggf. seine Strombeschaffungskosten, wenn sie bei fallenden Temperaturen und starken Strompreisschwankungen steigen würden. Bei extrem niedrigen Temperaturen müssen viele Stromversorger zusätzlich Strom am Markt kaufen, um den höheren Bedarf decken zu können. Gleichzeitig nehmen aber auch die Preisschwankungen zu – und damit das Risiko höherer Beschaffungskosten.

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