Versicherung gegen schlechtes Wetter ist keine Utopie mehr

Von HANS ESSER, Handelsblatt

Gegen das Wetter ist nichts zu machen - richtig? Falsch! Wetter-Derivate bieten der Wirtschaft die Chance, sich gegen unliebsame Witterungseinflüsse zu versichern. Dies kommt der Wirtschaft im allgemeinen zugute. Weit mehr als die Hälfte der Wirtschaft ist nämlich in irgendeiner Form vom Wetter abhängig.

Durch Schaden wird man klug, sagt eine alte Volksweisheit. Dies ist jedoch nicht immer so einfach. Viele Unternehmen wissen schon lange, dass Sie von den Launen des Wetters abhängig sind. Dieser Situation hatten sie bisher aber nichts entgegenzusetzen. Wie gesagt - bisher. Bereits seit sechs Jahren werden in den USA erfolgreich Wetter-Derivate für das Management „wetterbedingter Umsatz- und Gewinnrisiken" eingesetzt.

Wetter-Derivate dienen der finanziellen Absicherung gegenüber dem Wetter und stellen einen Vollkasko-Schutz für wetterabhängige Unternehmen dar. Dabei muss aber für dieses innovative Finanzmarktinstrument keine Versicherungssteuer gezahlt werden, und im Gegensatz zu einer Versicherung muss man keinen Schadensnachweis führen, sondern es wird mit der Gegenpartei anhand offizieller Wetterdaten und vorher definierten Wettervariablen abgerechnet.

Die jeweils relevanten Wettervariablen sind je nach Branche natürlich sehr unterschiedlich. Ein Gasversorger wünscht sich einen kalten Winter um viel Gas zu verkaufen und ist bei einem überdurchschnittlich warmen Winter einem erheblichen Umsatz- und Gewinneinbruch ausgeliefert. Ein Bauunternehmen hätte da genau ein gegenteiliges Interesse, denn ein frostiger Winter stoppt die Bautätigkeit und eventuelle Konventionalstrafen wären fällig. So hat sich z.B. der Amsterdamer Flughafen Shiphol bei Bauarbeiten mittels Wetter-Derivat gegen einen frostigen Winter abgesichert. Ein heißer und trockener Sommer ist nicht nur für Freibäder und deren kommunale Inhaber eine Freude, sondern auch für Freizeitparks, Außengastronomie, Tourismus, Brauereien etc. Verregnete Sommer wie der diesjährige, haben eigentlich nur einen Freund: Regenschirmhersteller.

Versicherungstypen

Ist einmal durch eine umfassende Analyse der Unternehmensdaten mit langjährigen Wetterdaten das entsprechende „schlechte Wetter" für ein Unternehmen identifiziert, muss noch die Art des Wetter-Derivates festgelegt werden. Bei einer sehr hohen Korrelation, wie sie sich z.B. beim Absatz eines Gasversorgers mit der Tagesdurchschnittstemperatur ergibt, kann man einen Swap nutzen. Hierbei erhält der Gasversorger eine Ausgleichszahlung von der Gegenseite bei einem zu warmen Winter, muss aber bei einem überdurchschnittlichen kalten Winter eine Zahlung an die Gegenseite leisten. Dies ist dann natürlich kein Problem für ihn, da er dies ja aus überdurchschnittlichen Umsatz und Gewinn finanziert.

Bei vielen Unternehmen ist die Wetterabhängigkeit aber nicht so „simpel", sondern stellt sich erheblich komplexer dar, bzw. Unternehmen suchen nur einen Schutz gegen Worst-Case-Szenarien, wollen sich selber aber die Chance auf gutes Wetter offen halten. Diese Vorteile bieten dann Optionen, wie man sie aus dem Finanzmarkt kennt. Hier zahlt man eine Optionsprämie, ist aber damit von jedweder weiteren Verpflichtung entbunden – sehr zu vergleichen mit einer Versicherungsprämie. Diese Optionen können dann an Durchschnittstemperaturen, an Regenmengen oder z.B. an die Anzahl von Regentagen während einer Absicherungsperiode gebunden werden.

Solche Wetter-Derivate sind in Deutschland bereits gehandelt worden. Die Berliner Bewag hat sich als erster Energieversorger mittels Swap auf Durchschnittstemperaturen gegen einen zu warmen Winter und einbrechenden Absatz im Fernwärmegeschäft abgesichert. Die Elektrizitätswerke Dahlenburg hatten sich bereits im letzten Jahr gegen einen verregneten Sommer durch eine Kaufoption auf Regenmenge abgesichert und als erster Käufer eines Wetter-Derivates in Deutschland im Herbst eine Auszahlung dafür bekommen. Im Frühjahr dieses Jahres hat sich dann der Golfclub Apeldör mittels einer Verkaufsoption auf den „Nice-Day-Index" gegen übermäßig viele Regentage in diesem Sommer abgesichert – aus heutiger Sicht ein weiser Entschluss.

Wetter-Derivate auf dem Vormarsch

Weitaus substanzieller als der heftig publizierte Handel mit Emissionen hat sich mittlerweile weltweit der Handel mit Wetter-Derivaten insgesamt entwickelt. Seit gut einem Jahr setzt sich dieses Instrument für innovatives Risikomanagement mehr und mehr in Europa und auch in Deutschland durch. Laut einer aktuellen Studie von PricewaterhouceCooper (PWC), die für den Weltverband WetterRisikoManagement, der WRMA in Washington erstellt wurde, wuchs der weltweite Markt zur Risikoabsicherung von wetterabhängigen Branchen in den zurückliegenden zwölf Monaten um 72 %. In der Zeit von April 2001 bis März 2002 wurden rund 4 000 Wetter-Derivate mit einem Gesamtwert von 4,3 Mrd. $ abgeschlossen.

Wetter-Derivate sind in den USA mit einem Anstieg von zehn Prozent auf rund 2 700 Abschlüsse und einem Wert von 1,2 Mrd. $ im Berichtszeitraum bereits bestens etabliert. Weitaus zurückhaltender war bisher der europäische Markt, aber auch dies hat sich geändert. Hier wurden 765 Kontrakte neu abgeschlossen, was einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 345 Prozent bedeutet. Dabei ist der Kontraktgegenwert auf rund 550 Millionen Dollar mehr als verzehnfacht worden.

Angeboten werden die Wetter-Derivate von Banken, Rückversicherern und Energieversorgern. Obwohl der Markt mittlerweile ein Volumen von über zwölf Milliarden US-Dollar hat, sind diese Instrumente noch nicht an den Börsen etabliert. Zwar werden von der Chicagoer CME angebotene Kontakte nach langer Durststrecke jetzt intensiver gehandelt, aber die von der Londoner Liffe im Dezember letzten Jahren gestarteten Temperaturkontrakte finden wenig Freunde. Auch die Frankfurter Eurex, die sich schon mehrfach in verschiedenen Projektgruppen mit diesem Thema befasst hat, hat hier noch keinen endgültigen Entschluss gefunden.

Ein großes Hindernis für den Markt ist immer noch die weitgehende Unkenntnis über die bestehende Möglichkeit einer Wetterabsicherung. Daneben werden derzeit abgeschlossene Geschäfte immer komplexer und immer mehr auf den individuellen Kunden und dessen Wetterproblem zugeschnitten. Standardisierte Börsenkontrakte könnten hier wenig helfen. Für das wettergefährdete Unternehmen ist aber nicht wichtig wo es sein Wetter-Derivat abschließt, sondern nur dass es dies tut, bevor die Bilanz unter Wasser steht !

Hans Esser ist Geschäftsführer von FinanzTrainer.com, Risk Management Training & Consulting in Köln.

Quelle: Handelsblatt (Originalartikel)

 

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