Durch Schaden wird man klug, sagt eine alte Volksweisheit. Dies
ist jedoch nicht immer so einfach. Viele Unternehmen wissen schon
lange, dass Sie von den Launen des Wetters abhängig sind. Dieser
Situation hatten sie bisher aber nichts entgegenzusetzen. Wie
gesagt - bisher. Bereits seit sechs Jahren werden in den USA erfolgreich
Wetter-Derivate für das Management „wetterbedingter Umsatz- und
Gewinnrisiken" eingesetzt.
Wetter-Derivate dienen der finanziellen Absicherung gegenüber
dem Wetter und stellen einen Vollkasko-Schutz für wetterabhängige
Unternehmen dar. Dabei muss aber für dieses innovative Finanzmarktinstrument
keine Versicherungssteuer gezahlt werden, und im Gegensatz zu
einer Versicherung muss man keinen Schadensnachweis führen, sondern
es wird mit der Gegenpartei anhand offizieller Wetterdaten und
vorher definierten Wettervariablen abgerechnet.
Die jeweils relevanten Wettervariablen sind je nach Branche natürlich
sehr unterschiedlich. Ein Gasversorger wünscht sich einen kalten
Winter um viel Gas zu verkaufen und ist bei einem überdurchschnittlich
warmen Winter einem erheblichen Umsatz- und Gewinneinbruch ausgeliefert.
Ein Bauunternehmen hätte da genau ein gegenteiliges Interesse,
denn ein frostiger Winter stoppt die Bautätigkeit und eventuelle
Konventionalstrafen wären fällig. So hat sich z.B. der Amsterdamer
Flughafen Shiphol bei Bauarbeiten mittels Wetter-Derivat gegen
einen frostigen Winter abgesichert. Ein heißer und trockener Sommer
ist nicht nur für Freibäder und deren kommunale Inhaber eine Freude,
sondern auch für Freizeitparks, Außengastronomie, Tourismus, Brauereien
etc. Verregnete Sommer wie der diesjährige, haben eigentlich nur
einen Freund: Regenschirmhersteller.
Versicherungstypen
Ist einmal durch eine umfassende Analyse der Unternehmensdaten
mit langjährigen Wetterdaten das entsprechende „schlechte Wetter"
für ein Unternehmen identifiziert, muss noch die Art des Wetter-Derivates
festgelegt werden. Bei einer sehr hohen Korrelation, wie sie sich
z.B. beim Absatz eines Gasversorgers mit der Tagesdurchschnittstemperatur
ergibt, kann man einen Swap nutzen. Hierbei erhält der Gasversorger
eine Ausgleichszahlung von der Gegenseite bei einem zu warmen
Winter, muss aber bei einem überdurchschnittlichen kalten Winter
eine Zahlung an die Gegenseite leisten. Dies ist dann natürlich
kein Problem für ihn, da er dies ja aus überdurchschnittlichen
Umsatz und Gewinn finanziert.
Bei vielen Unternehmen ist die Wetterabhängigkeit aber nicht
so „simpel", sondern stellt sich erheblich komplexer dar,
bzw. Unternehmen suchen nur einen Schutz gegen Worst-Case-Szenarien,
wollen sich selber aber die Chance auf gutes Wetter offen halten.
Diese Vorteile bieten dann Optionen, wie man sie aus dem Finanzmarkt
kennt. Hier zahlt man eine Optionsprämie, ist aber damit von jedweder
weiteren Verpflichtung entbunden – sehr zu vergleichen mit einer
Versicherungsprämie. Diese Optionen können dann an Durchschnittstemperaturen,
an Regenmengen oder z.B. an die Anzahl von Regentagen während
einer Absicherungsperiode gebunden werden.
Solche Wetter-Derivate sind in Deutschland bereits gehandelt
worden. Die Berliner Bewag hat sich als erster Energieversorger
mittels Swap auf Durchschnittstemperaturen gegen einen zu warmen
Winter und einbrechenden Absatz im Fernwärmegeschäft abgesichert.
Die Elektrizitätswerke Dahlenburg hatten sich bereits im letzten
Jahr gegen einen verregneten Sommer durch eine Kaufoption auf
Regenmenge abgesichert und als erster Käufer eines Wetter-Derivates
in Deutschland im Herbst eine Auszahlung dafür bekommen. Im Frühjahr
dieses Jahres hat sich dann der Golfclub Apeldör mittels einer
Verkaufsoption auf den „Nice-Day-Index" gegen übermäßig viele
Regentage in diesem Sommer abgesichert – aus heutiger Sicht ein
weiser Entschluss.
Wetter-Derivate auf dem Vormarsch
Weitaus substanzieller als der heftig publizierte Handel mit
Emissionen hat sich mittlerweile weltweit der Handel mit Wetter-Derivaten
insgesamt entwickelt. Seit gut einem Jahr setzt sich dieses Instrument
für innovatives Risikomanagement mehr und mehr in Europa und auch
in Deutschland durch. Laut einer aktuellen Studie von PricewaterhouceCooper
(PWC), die für den Weltverband WetterRisikoManagement, der WRMA
in Washington erstellt wurde, wuchs der weltweite Markt zur Risikoabsicherung
von wetterabhängigen Branchen in den zurückliegenden zwölf Monaten
um 72 %. In der Zeit von April 2001 bis März 2002 wurden rund
4 000 Wetter-Derivate mit einem Gesamtwert von 4,3 Mrd. $ abgeschlossen.
Wetter-Derivate sind in den USA mit einem Anstieg von zehn Prozent
auf rund 2 700 Abschlüsse und einem Wert von 1,2 Mrd. $ im Berichtszeitraum
bereits bestens etabliert. Weitaus zurückhaltender war bisher
der europäische Markt, aber auch dies hat sich geändert. Hier
wurden 765 Kontrakte neu abgeschlossen, was einen Anstieg gegenüber
dem Vorjahr von 345 Prozent bedeutet. Dabei ist der Kontraktgegenwert
auf rund 550 Millionen Dollar mehr als verzehnfacht worden.
Angeboten werden die Wetter-Derivate von Banken, Rückversicherern
und Energieversorgern. Obwohl der Markt mittlerweile ein Volumen
von über zwölf Milliarden US-Dollar hat, sind diese Instrumente
noch nicht an den Börsen etabliert. Zwar werden von der Chicagoer
CME angebotene Kontakte nach langer Durststrecke jetzt intensiver
gehandelt, aber die von der Londoner Liffe im Dezember letzten
Jahren gestarteten Temperaturkontrakte finden wenig Freunde. Auch
die Frankfurter Eurex, die sich schon mehrfach in verschiedenen
Projektgruppen mit diesem Thema befasst hat, hat hier noch keinen
endgültigen Entschluss gefunden.
Ein großes Hindernis für den Markt ist immer noch die weitgehende
Unkenntnis über die bestehende Möglichkeit einer Wetterabsicherung.
Daneben werden derzeit abgeschlossene Geschäfte immer komplexer
und immer mehr auf den individuellen Kunden und dessen Wetterproblem
zugeschnitten. Standardisierte Börsenkontrakte könnten hier wenig
helfen. Für das wettergefährdete Unternehmen ist aber nicht wichtig
wo es sein Wetter-Derivat abschließt, sondern nur dass es dies
tut, bevor die Bilanz unter Wasser steht !
Hans Esser ist Geschäftsführer von FinanzTrainer.com, Risk
Management Training & Consulting in Köln.
Quelle:
Handelsblatt (Originalartikel)